Reduce Reuse Recycle

Wie durch gute und sortenreine Konstruktion ein Gebäude zu einem Wertstofflager wird

Beim Eintritt in den deutschen Pavillon der aktuellen Architektur Biennale in Venedig wird man zuerst überrascht. Herumliegende Baustoffe und Baumaterialien sorgen für Verwunderung. Ist die Ausstellung noch nicht fertig aufgebaut? Was soll mit diesen Elementen geschehen? Doch genau das wollte das diesjährige Kuratorenteam unter der Leitung von Anh-Linh Ngo (Arch+) bewirken. Denn Recycling ist das Motto – oder wie der Titel offiziell lautet: „Open for Maintenance – wegen Umbau geöffnet“.

Jedes Jahr findet in Venedig eine Kunst- oder Architektur-Biennale statt, zu der unzählige Pavillons und Gebäude immer wieder neu ausgestattet und umgebaut werden. Um auf die Materialverschwendung und die damit einhergehenden Treibhausgasemissionen aufmerksam zu machen, hat das Kuratorenteam die Materialien der vergangenen Biennale eingesammelt, sortiert, und im deutschen Pavillon ausgestellt.

Die Idee dahinter ist großartig, anstelle immer wieder Neues zu präsentieren, wovon die Besucher schon im Überfluss gesehen haben, ist es in der aktuellen Klimadebatte genau der richtige Verweis auf den behutsamen Umgang mit Materialien und Rohstoffen. Um der Rohstoffknappheit zu entgegenzuwirken, müssen wir mit dem Bestand arbeiten, und Altes nicht wegwerfen, sondern recyceln und wiederverwenden.

Um dies überhaupt möglich zu machen, muss schon bei der Herstellung der Gebäude auf eine saubere Komponententrennung geachtet werden.  Denn nur durch eine einfache Trennung der Bauteile mit unterschiedlichem Lebenszyklus können diese nach Ablauf ihrer tatsächlichen Lebensdauer ausgetauscht werden. Was nutzt es, wenn die Stahlbetonkonstruktion eines Gebäudes über 100 Jahre hält, die darin eingelassenen Elemente wie Regenfall- oder Heizungsrohre aber eine viel kürzere Lebenserwartung haben? Lassen sich die Komponenten nicht demontieren und separieren, hilft oft nur ein Gesamtabriss, der weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll ist.

Der Lebenszyklus einer technischen Anlage ist zum Beispiel weitaus kürzer, als der der baukonstruktiven Elemente. Daher ist es wichtig, die Zugänglichkeit der Installationen sicherzustellen. Eine mechanische Verbindung der Bauteile sollte einer Klebeverbindung bevorzugt werden. Verbundstoffe sollten vermieden werden, die am Ende ihres Lebenszyklus nur als Sondermüll entsorgt werden können. Nur so lässt sich ein Gebäude später bauteilweise und sortenrein zurückbauen und trennen.

Das Kreislauf-Prinzip, oder auch Cradle-to-Cradle-Prinzip sollte bei jeder einzelnen Komponente mitgedacht werden. Das bedeutet, dass bei der Planung nicht nur bis zur Fertigstellung und ggf. noch bis zum Betrieb, sondern darüber hinaus gedacht und geplant wird. Die Instandsetzung und Rückbauphase muss von Beginn an mitberücksichtigt werden.

Um überhaupt einen Überblick zu haben, was in einem Gebäude an Baustoffen, bzw. Wertstoffen verbaut wurde, ist es empfehlenswert, digitale Kopien der Gebäude und sogenannte Materialpässe erstellen zu lassen. Dazu gibt es bereits einige Produkte auf dem Markt, wie BIM-Modelle oder Materialpässe z.B. des Berliner Start-Ups Concular, das auch an dem Ausstellungskonzept der Biennale beteiligt war.  

Erst mit der Dokumentation der Bauteile wird die Grundlage für das zirkuläre Bauen geschaffen. So wird vermieden, dass ein Gebäude ein sich abnutzendes Investment ist. Stattdessen wird sein Werterhalt gesichert. Denn was früher zu einem Abfallprodukt wurde, wird so bei der richtigen Material- und Konstruktionswahl zu einem langlebigen und sowohl ökologisch als auch ökonomischen Wertstofflager für die Zukunft.  

Bild: Deutscher Pavillon Biennale Architettura di Venezia 2023 / eade

Einsparpotentiale in der Gebäudetechnik

Wie durch die Optimierung der technischen Anlagen Kosten und Ressourcen gespart werden können

Die aktuell explosionsartig ansteigenden Kosten für Energie lassen die Betriebskosten für Gebäude enorm steigen. Hinzu kommt die immer größere Aufrüstung der Gebäude mit haustechnischen Anlagen. Auch daraus resultieren höhere Folgekosten für Wartung, Instandsetzung und den Energieverbrauch der Anlagen. Im Bereich der Gebäudetechnik besteht somit ein großes Einsparpotential was den Ressourcenverbrauch und damit einhergehend die Betriebskosten betrifft.

Das Verhältnis der Investitionskosten technischer Ausrüstung (KG 400) zur Baukonstruktion (KG300) lag früher mal bei ca. 25/75. Bei hochwertigen Büroneubauten liegt es derzeit eher bei 40/60. Immer mehr Lüftungs- und Klimatechnik, Smart Building und IT Technologie wird verbaut. Mechanisch und manuell steuerbare Elemente werden durch motorische und automatisierte Komponenten und Sensorik ersetzt. Doch all diese Komponenten sind Energieverbraucher und potenzielle Fehlerquellen.

Auch im Bestand gibt es zahlreiche veraltete Anlagen, die zwar irgendwie noch ihren Zweck erfüllen, das Gebäude zu heizen, kühlen und zu beleuchten, dies aber in den seltensten Fällen auf effiziente Art und Weise. Die Anlagen werden oft nicht ausreichend gewartet, sind nicht aufeinander abgestimmt und laufen daher nicht optimal. So wird viel Energie verschwendet, anstelle die Anlagen frühzeitig durch neue effizientere Anlagen zu ersetzen.

Wie im Hochbau können die Prinzipien der Suffizienz auch auf die Gebäudetechnik übertragen werden, um nachhaltigere Gebäude zu konzipieren:

  • weniger: Reduktion der Anforderungen an die Gebäudetechnik
  • flexibel: um- und nachrüstbare technische Ausrüstung
  • gemeinsam: synchronisierte Systeme und smarte Technologie

Um eine optimale Dimensionierung und Auslastung der Anlagen zu erzielen, sollten die technischen Anforderungen zu Beginn der Planung kritisch hinterfragt werden. Bereits geringfügige Anpassungen der Ausgangsparameter bringen oft schon immense Energieeinsparungen mit sich. Die Erhöhung der zulässigen Raumtemperatur um 1 Grad als Auslegung für die Kühlung spart beispielsweise 6% Energie.

Im Folgenden werden für die einzelnen Anlagengruppen einige entscheidende Optimierungspotentiale vorgestellt.

Heizung
Anlagen wie z.B. ein BHKW arbeiten nur wirtschaftlich, wenn ihre Auslastung gesichert ist. Wenn es im Sommer keine Wärmeabnehmer gibt, und das BHKW ständig an und ausschaltet, hat es einen extrem hohen Energieverbrauch und eine deutlich geringere Lebenszeit. Es sollten aufeinander abgestimmte Systeme für Wärmeerzeugung, Wärmeverteilung und Abwärmenutzung verwendet werden, die in Abhängigkeit der Standortfaktoren geplant werden. Sofern vor Ort möglich – sind erneuerbare Ressourcen (Solarthermie, Geothermie) in Kombination mit Wärmepumpen einzusetzen. Nur so wird man langfristig unabhängig von steigenden Gas-, Öl- und Strompreisen.

Lüftung/Klima
Durch eine differenzierte Belegungsplanung kann die benötigte Raumluftmenge bestimmt und die Gesamtluftmenge und Anlagengröße optimal und nutzungsspezifisch definiert werden. Auch die Reduktion der spezifische Ventilatorenleistung (SFP Stufe) spart Energiekosten, erfordert allerdings größere Kanalquerschnitte.

Sanitär
Projekt- und Nutzungsabhängig sind dezentrale Lösungen wie Frischwasserstationen zur Warmwasseraufbereitung die wirtschaftlichere Lösung. So vermeidet man lange Leitungswege durchs ganze Haus, die mit einem Temperaturverlust einhergehen. Zudem lassen sich Technikflächen einsparen, die in Nutzfläche umgewandelt werden können.

Elektro
Die Beleuchtung über Einzelraumregelungen mit Präsenzmeldern zu steuern, spart Energie. Denn nach einem langen Arbeitstag vergisst auch mal der umsichtigste Mitarbeiter, das Licht hinter sich auszuschalten. So brennt es nach Feierabend nur noch wenige Sekunden und nicht die ganze Nacht.

IT / Kommunikation
Wieviel Redundanz ist erforderlich, wie viele Datenports pro Arbeitsplatz wirklich nötig? Wenn die Architektur eine einfache Nachrüstung ermöglicht, z.B. durch revisionierbare Bodenkanäle oder Deckentrassen, ist dies die weitaus flexiblere und wirtschaftlichere Lösung, als massenhaft teure Kupferkabel zu verlegen, um für jede Eventualität und jeden potentiellen Mieter gerüstet zu sein.

Gebäudeautomation
Eine intelligente Gebäudesteuerung und Messtechnik, die online ablesbar ist, ermöglicht einen Standortunabhängigen Betrieb und ein Monitoring der Anlagen. So kann gezielt und umgehend bei Fehlermeldungen eingegriffen werden. Monatelang fehlerhaft und damit ineffizient laufende Anlagen, nur weil der Wartungszyklus vernachlässigt wurde und niemand vor Ort war, lassen sich dadurch vermeiden. Überflüssige und teure Wartungsbesuche externer Firmen lassen sich einsparen, wenn die Daten auch in Fernablese durch sogenannte Smart Meter abgelesen werden können. Intelligente Zähler und Steuerungstechnik lassen sich auch auf bestehenden Anlagen nachrüsten.

Wenn also zu Anfang der Planung etwas mehr Zeit in die Optimierung und Auslegung der Systeme investiert wird, Gewerkeübergreifend geplant wird, und nicht zuletzt die Lebenszykluskosten der Anlagen betrachtet werden (Investitionskosten + Betriebskosten über den ganzen Lebenszyklus) lassen sich im Bereich der Gebäudetechnik zukünftig weitere Kostenexplosionen und Ressourcenverschwendung vermeiden.

Bild: Freudenberg Haustechnik

ESG und Taxonomie

Wie mit ESG Kriterien und der Taxonomie Verordnung Unternehmen und Investitionen nachhaltiger werden sollen

Die Einhaltung von ESG Kriterien (Environment Social Governance) haben sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr Unternehmen auf die Fahnen geschrieben. Mit der 2021 verabschiedeten europäischen Taxonomie Verordnung erhalten diese nun einen gesetzlichen und messbaren Rahmen. Damit wird ein Werkzeug am Markt eingeführt, um nicht die Nachhaltigkeit von Gebäuden zu bewerten, sondern Branchenunabhängig auch die der Unternehmen und deren Investitionen.

Nachhaltige Gebäudezertifizierungen wie das amerikanische LEED, das deutsche DGNB, oder das britische Breeam Label sind seit vielen Jahren am Immobilienmarkt verbreitet. Flächendeckend durchgesetzt haben sich diese bisher nicht. Sie dienen in erster Linie dazu, Qualitätsstandards zu prüfen und quantifizierbare Nachhaltigkeitskriterien festzulegen. Eine Verbesserung von CO2-Neutralität, Energieeffizienz oder -einsparung lässt sich dadurch leider nur selten erzielen. Denn die Zertifizierungsprozesse werden in der Regel zu spät im Planungsprozess implementiert, so dass dann kaum noch Einfluss auf relevante Stellschrauben genommen werden kann.

Viele der ökologischen oder sozialen Kriterien sind per Gesetz ohnehin gesichert, sei es durch die EnEV oder seit 2020 das GEG (Gebäude Energie Gesetz), die Arbeitsstättenverordnung und entsprechende Richtlinien dazu (ASR). Es handelt sich bei der aufwändigen Nachweisführung der unterschiedlichen Zertifizierungsarten meist um eine reine Dokumentation und dadurch mehr oder weniger um ein „green washing“ der bereits bestehenden Planung.

Anhand der ESG Kriterien wird dieser Nachhaltigkeitnachweis nun angewendet auf die in der Immobilienbranche tätigen Unternehmen, in erster Linie die Entwickler und Portfoliobesitzer. Die Environmental (E) Kriterien lassen sich dabei einfacher beschreiben und nachweisen, als die Social (S) und Governance (G) Kriterien. Die „E“ Kriterien erfassen Faktoren wie Energie, Ressourcen, Mobilität, Abfall, Stadtklima und Biodiversität, ähnlich wie bei den Gebäudezertifizierungen. Unter „S“ fallen Themen wie Mitarbeiter-, bzw. Nutzerbeteiligung, Gesundheit, Gemeinschaft und Gleichberechtigung. Unter „G“ laufen in der Unternehmensführung verankerte Themen wie Beschaffungsprozesse, Anreizsysteme, Korruption, Transparenz sowie das Risikomanagement.

Eine verbindliche Definition zum Nachweis der ESG Konformität gibt es bisher allerdings nicht. Viele Unternehmen stellen ihre eigenen ESG Kataloge auf.  Eine nachhaltigere Unternehmenskultur lässt sich dadurch nicht per se erreichen. Nichts destotrotz macht es für jede Firma Sinn, sich mit den Kriterien auseinanderzusetzen, um ein Bewusstsein für den eigenen Standpunkt zu schaffen und Optimierungspotentiale auszuloten.

Der Nachweis der ESG oder Taxonomie Konformität wird nun zunehmend auch gefordert für Immobilientransaktionen und -investitionen. Sie lassen sich allerdings nur bedingt übertragen auf Immobilien und sind nicht gleichzusetzen mit den Kriterien, die eine Zertifizierung mit sich bringt. Die Environmental Kriterien sind am leichtesten anwendbar auf Gebäude, da die ökologische Nachhaltigkeit bei Gebäuden am besten messbar ist. Die Social und Governance Kriterien sind schwieriger zu übertragen, da sie die operative Unternehmensführung bewerten. Bei einem Gebäude entspricht das dem Betrieb und der Nutzerebene. Die Bewertung lässt sich daher erst in der Nutzungsphase und nicht in der Herstellungsphase vornehmen.

Die Taxonomie Verordnung wurde nun auf europäischer Ebene mit dem Ziel eingeführt, „Nachhaltigkeit und den Übergang zu einer klimaneutralen, ressourceneffizienteren und stärker kreislauforientierten Wirtschaft“ zu erwirken. Von den drei ESG Bausteinen wurden dabei allerdings erst die Umweltziele (Environmental) definiert. Für zwei der insgesamt sechs Umweltziele wurden technische Bewertungskriterien formuliert: Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel. Für die anderen Ziele „Do not significant harm“ (DNSH) und Mindestschutz der Menschenrechte liegen noch keine Zielformulierungen vor.

Ziele der Taxonomie Verordnung

Bis jedoch nicht alle Ziele definiert und durch technische Bewertungskriterien belegt sind, ist keine Messbarkeit und damit Vergleichbarkeit gegeben. Es stellt sich ferner die Frage, ob sich soziale Kriterien überhaupt in messbaren Daten erfassen lassen. In Deutschland sind sie im Arbeitsrecht, Verfassungsrecht und Korruptionsrecht teils sowieso schon verankert. Außerdem lässt die aktuelle Debatte, ob Atomkraft und Erdgas als grüne Energiequellen gelistet werden dürfen, erahnen, wie schwierig eine Vereinheitlichung der Standards auf EU Ebene werden dürfte.

Die Berichterstattungspflicht gilt vorerst nur für große und börsennotierte Unternehmen. Deren wirtschaftliche Aktivitäten wie beispielsweise die Finanzierung von Immobilienverkäufen und Entwicklungen sind anhand der Taxonomie Kriterien offenzulegen. Der ohnehin schon hohe Dokumentationsaufwand solcher Transaktionen wird sich damit zukünftig wohl noch vergrößern.

Ähnlich der Gebäudezertifizierungen sind die ESG Kriterien und die Taxonomie Verordnung ein Ansatz, ein Bewusstsein für nachhaltigere Investitionen in der Baubranche zu schaffen – auch wenn der Weg noch lang sein wird. Inwieweit das Kapital dann doch dem rentabelsten Projekt und nicht dem grünsten Projekt folgt, wird sich zeigen. Die Entscheidung für das Maß einer nachhaltigen Umsetzung verbleibt somit vorerst auf Bauherrenseite.