Wasserbauwerke gegen die Fluten

Wie Länder an der Küste sich gegen die Folgen des Klimawandels rüsten  

Die Niederlande, ein Land, das im Durchschnitt 6m unter dem Meeresspiegel liegt, hat seit jeher mit dem steigenden Meeresspiegel zu kämpfen. Schon vor hunderten von Jahren haben die Holländer sogenannte Polder gebaut, um ihre Felder vor den Fluten zu schützen. Trocken gepumpt kann so unterhalb des Meeresspiegels Landwirtschaft betrieben und Städte gebaut werden. Mit dem „Afsluitdijk“ (niederl. Abschlussdeich) wurde ein Ingenieursbauwerk geschaffen, das weltweit einzigartig ist, um den Folgen des Klimawandels zu trotzen.

Der Abschlussdeich ist ein 32 km langer Damm, der die Nordsee vom Ijsselmeer trennt und das dahinterliegende Land sowie die Stadt Amsterdam vor den Gezeiten schützt. Durch den Abschluss von der Nordsee wurde das Ijsselmeer zunehmend zu einem Süßwassergewässer. Polder konnten gebaut und das Land dahinter stückweise trockengelegt und für die Landwirtschaft gewonnen werden. So vergrößert sich die Fläche der Niederlande stetig, obwohl sie unterhalb des Meeresspiegels liegt.

Da der Deich durch die Gezeiten ständigen Erosionen ausgesetzt ist und die beiden Schleusen nicht mehr den aktuellen Standards der Schifffahrt entsprechen, soll er nun saniert werden. Auch der befürchtete Anstieg des Meeresspiegels ist ein Grund, weshalb eine Verstärkung des Deichs als dringend notwendig erachtet wird. Momentan läuft unter der Leitung der Rijkswaterstaat (niederl. Behörde für Wasserbau und Straßen) ein Projekt zur Modernisierung des Deichs, welches im Jahr 2050 abgeschlossen sein soll.

Im Rahmen des Projektes „Masterplan Afsluitdijk“ werden auch verschiedene Formen der regenerativen Energiegewinnung untersucht. So soll der Deich zukünftig nicht nur der Abwehr der natürlichen Kräfte von Wind und Wasser dienen, sondern auch einen Nutzen daraus für die Umwelt und Naherholung ziehen. Neben Windrädern und Turbinen gibt es zahlreiche Initiativen und Projektideen zur nachhaltigen Modernisierung und Nutzung des Bauwerks.

Paul de Ruiter Architekten planen zusammen mit den Landschaftsarchitekten Feddes/Olthof eine Art Insel in dem Abschlussdeich. Das Projekt sieht unter anderem ein neues Durchlassbauwerk für Fische vor, um ihnen den Rückzug in die Laichgebiete entlang der Ijssel zu ermöglichen. Auf der Suche nach einer innovativer Deichstruktur wurde eine 3d-gedruckte Wabenstruktur aus widerstandsfähigem Basalt entwickelt, der CO2 schonend hergestellt werden kann.  

Auch in anderen Ländern entstehen Bau- und Bollwerke gegen die Fluten. In Japan wurde in den letzten Jahren eine 400 km lange Betonmauer zum Schutz der Küstenregion vor Sturmfluten und Tsunamis errichtet. Die Gestaltung und der Naherholungswert dieses massiven Bauwerks lässt hingegen noch zu wünschen übrig. Der Abschlussdeich ermöglicht nicht nur eine Trennung der Gewässer, sondern auch eine Verbindung der beiden Landzungen. Er kann neben dem Auto auch mit dem Fahrrad überquert werden. Ein bisschen Rückenwind ist dafür allerdings von Vorteil.

Bilder Afluitdijk: Paul de Ruiter Architekten, Feddes/Olthof LA / Seawall: Collage by KS

Ökobilanzierung für Einsteiger

Wieviel graue Energie wirklich in einem Gebäude steckt

Und wie lässt sich diese ermitteln? Dass der Betrieb von Gebäuden den Großteil der Energie verbraucht, die es im Laufe seines gesamten Lebenszyklus benötigt, ist kein Geheimnis. Doch auch im Herstellungsprozess der Bauteile ist eine Menge „Graue Energie“ versteckt, die erst bei genauer Untersuchung der Herstellungsprozesse und Eigenschaften der verbauten Materialien beziffert werden kann. In verschiedenen Datenbanken werden diese Informationen gesammelt, um eine ganzheitliche Ökobilanz von Gebäuden erstellen zu können. Ähnlich wie die Lebenszykluskosten von Gebäuden (LCC – Life Cycle Costs), lässt sich so der Lebenszyklus der einzelnen Baustoffe darstellen (LCA – Life Cycle Assessment).

In sogenannten Umweltproduktdeklarationen (EPDs – Environmental Product Declaration) werden die Umwelteinwirkungen eines Baumaterials in Zahlen erfasst und vom Hersteller ausgewiesen. Es gibt verschiedene Datenbanken, die diese Angaben für eine Vielzahl von Baumaterialien sammeln. Dazu gehört zum einen der Primärenergiebedarf, der für die Herstellung, die Instandsetzung und den Rückbau verwendet wird, mit Differenzierung der erneuerbaren Primärenergie und der nicht erneuerbaren Primärenergie. Diese versteckte Energie bezeichnet man als „Graue Energie“.

Neben dem Primärenergiebedarf werden weitere Indikatoren ausgewiesen, durch die sich die Umwelteinwirkungen eines Materials beziffern lassen, jeweils bezogen auf die Nettogeschossfläche (NGF):

    • Treibhausgaspotenzial (kurz GWP, Global Warming Potential)
    • Ozonschichtabbaupotenzial (ODP, Ozone Depletion Potential)
    • Ozonbildungspotenzial (POCP, Photochemical Ozone Creation Potential)
    • Versauerungspotential (AP, Acidification Potential)
    • Überdüngungspotential (EP, Eutrophication Potential)

Gewiss lässt sich darüber streiten, was die Sammlung dieser zahlreichen Daten bewirkt und wie verlässlich deren Aussagekraft ist. Doch bei der Entscheidungsfindung im Entwurfsprozess beispielsweise für oder gegen ein Fassadensystem oder Fußbodenmaterial lohnt es sich, einen Blick darauf zu werfen. Zudem fordern die meisten Zertifizierungslabels den Nachweis einer Ökobilanzierung.

Es sind bereits Unmengen an Daten in diversen Datenbanken (z.B. ökobaudat, ecoinvent) vorhanden, jedoch ist deren Vergleichbarkeit nicht unbedingt gegeben. Zur Standardisierung wurden bereits einige Initiativen in Angriff genommen. Doch noch sind die verschiedenen Lebenszyklusphasen eines Baumaterials in den Datenbanken weder einheitlich noch ganzheitlich dargestellt.

In der Herstellungsphase wird der Transport und Einbau auf der Baustelle nicht berücksichtigt. In der Nutzungsphase wird die Versorgung mit Energie wie auch die Instandsetzung berücksichtigt, nicht aber die Reinigung und Wartung. Die größten Unterschiede ergeben sich jedoch am Ende der Nutzungsdauer; hier wird in manchen Produktdatenblättern die Entsorgung mit kalkuliert, in anderen EPDs nicht. Und in seltenen Fällen wird sogar die Energie ausgewiesen, die beim Recycling des Materials zurückgewonnen werden kann.

Doch auch wenn die zur Verfügung stehenden Daten (noch) nicht einheitlich und 100% verlässlich sind, lohnt sich der Blick in der Entwurfsphase darauf. Denn nur so kann eine Sensibilisierung dafür stattfinden und umweltbewusstes Bauen überhaupt angeschoben werden.

Bilder: Stahlproduktion: Can Stock Photo, alephcomo / Chart: Datenquelle KBOB