Lebenszykluskosten

Nachhaltig Investieren durch eine ganzheitliche Betrachtung

Bei der Investitionsentscheidung für Gebäude spielen oft nur die reinen Herstellungskosten eine Rolle. Doch gerade für Bestandshalter von Immobilien ist diese Betrachtungsweise viel zu kurzsichtig, denn erst durch die Berechnung und Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes lassen sich nachhaltig wirtschaftliche Entscheidungen für oder gegen ein Projekt treffen.

Die Life Cycle Costs (LCC) setzen ich zusammen aus den Herstellungs-, den Betriebs- und oftmals auch den Rückbaukosten eines Gebäudes. Da letztere verhältnismäßig gering ausfallen, werden sie in manchen Berechnungsmethoden vernachlässigt. Die Betriebskosten beinhalten dabei nicht nur die Energiekosten eines Gebäudes, sondern auch die Wartungs- und Instandhaltungskosten, die Reinigungskosten und die Instandsetzungskosten.

Die ETH Zürich (Eidgenössische Technische Hochschule Zürich) ist ein beispielhafter Bauherr, der durch die Eigennutzung des Immobilienportfolios großes Interesse daran hat, die eigenen Universitätsgebäude effizient zu nutzen und die laufenden Kosten gering zu halten. Da ein Großteil des Immobilienportfolios noch aus der Gründerzeit stammt, schlagen die Betriebskosten der Gebäude über ihre Laufzeit immens zu Buche. Eine ganzheitliche Betrachtungsweise ist daher auch bei Neubauprojekten von vornherein wichtig.

So hat die ETH Zürich in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Christian Stoy von der Universität Stuttgart ein Tool entwickelt, mit welchem schon im Wettbewerbsverfahren die Lebenszykluskosten der eingereichten Wettbewerbsprojekte kalkuliert und verglichen werden können. Die ETH Zürich kann dabei auf eine große Datenbank aus Erfahrungswerten vieler Betriebsjahre und unterschiedlichster Gebäudetypologien zurückgreifen.

Nicht jeder Bauherr hat solch verlässliche Werte für die zur Berechnung der LCC erforderlichen Parameter vorliegen. So müssen oft recht vage Annahmen für diese Variablen getroffen werden mit der Folge, dass die Ergebnisse teilweise recht schwammig ausfallen. Doch je mehr Benchmark-Sammlungen gefüllt werden, desto präziser werden zukünftig auch die Ergebnisse dieser Berechnungen sein.

Im Rahmen von Gebäudezertifizierungen werden Lebenszykluskostenberechnungen durchgeführt, wie beispielsweise beim DGNB (Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen). Neuere Versionen der Leed- und Breeam-Zertifizierung beziehen die LCC-Betrachtung ebenfalls mit in die Bewertung ein. Verschiedene Software Anbieter haben mittlerweile Programme entwickelt, um die Lebenszykluskosten bauteilgenau zu berechnen, z.B. LEGEP. Das Verfahren ist bekannt als Life Cycle Assessment (LCA).

So lässt sich über die Lebenszykluskosten die rein ökonomische Nachhaltigkeit von Gebäuden und seiner einzelnen Bauteile bewerten, nicht jedoch die ökologische oder soziokulturelle Nachhaltigkeit. Doch gerade die wirtschaftliche Nachhaltigkeit von Investitionen ist für Käufer und Bestandshalter die Entscheidende. Daher ist die LCC-Betrachtung insbesondere den öffentlichen Institutionen, Flughäfen und weiteren Investoren, die ein großes Portfolio an Bestandgebäuden halten, nahezulegen.

Bild: Wettbewerbsergebnis HPQ, ETH Zürich, Ilg Santer Architekten 

Ökobilanzierung für Einsteiger

Wieviel graue Energie wirklich in einem Gebäude steckt

Und wie lässt sich diese ermitteln? Dass der Betrieb von Gebäuden den Großteil der Energie verbraucht, die es im Laufe seines gesamten Lebenszyklus benötigt, ist kein Geheimnis. Doch auch im Herstellungsprozess der Bauteile ist eine Menge „Graue Energie“ versteckt, die erst bei genauer Untersuchung der Herstellungsprozesse und Eigenschaften der verbauten Materialien beziffert werden kann. In verschiedenen Datenbanken werden diese Informationen gesammelt, um eine ganzheitliche Ökobilanz von Gebäuden erstellen zu können. Ähnlich wie die Lebenszykluskosten von Gebäuden (LCC – Life Cycle Costs), lässt sich so der Lebenszyklus der einzelnen Baustoffe darstellen (LCA – Life Cycle Assessment).

In sogenannten Umweltproduktdeklarationen (EPDs – Environmental Product Declaration) werden die Umwelteinwirkungen eines Baumaterials in Zahlen erfasst und vom Hersteller ausgewiesen. Es gibt verschiedene Datenbanken, die diese Angaben für eine Vielzahl von Baumaterialien sammeln. Dazu gehört zum einen der Primärenergiebedarf, der für die Herstellung, die Instandsetzung und den Rückbau verwendet wird, mit Differenzierung der erneuerbaren Primärenergie und der nicht erneuerbaren Primärenergie. Diese versteckte Energie bezeichnet man als „Graue Energie“.

Neben dem Primärenergiebedarf werden weitere Indikatoren ausgewiesen, durch die sich die Umwelteinwirkungen eines Materials beziffern lassen, jeweils bezogen auf die Nettogeschossfläche (NGF):

    • Treibhausgaspotenzial (kurz GWP, Global Warming Potential)
    • Ozonschichtabbaupotenzial (ODP, Ozone Depletion Potential)
    • Ozonbildungspotenzial (POCP, Photochemical Ozone Creation Potential)
    • Versauerungspotential (AP, Acidification Potential)
    • Überdüngungspotential (EP, Eutrophication Potential)

Gewiss lässt sich darüber streiten, was die Sammlung dieser zahlreichen Daten bewirkt und wie verlässlich deren Aussagekraft ist. Doch bei der Entscheidungsfindung im Entwurfsprozess beispielsweise für oder gegen ein Fassadensystem oder Fußbodenmaterial lohnt es sich, einen Blick darauf zu werfen. Zudem fordern die meisten Zertifizierungslabels den Nachweis einer Ökobilanzierung.

Es sind bereits Unmengen an Daten in diversen Datenbanken (z.B. ökobaudat, ecoinvent) vorhanden, jedoch ist deren Vergleichbarkeit nicht unbedingt gegeben. Zur Standardisierung wurden bereits einige Initiativen in Angriff genommen. Doch noch sind die verschiedenen Lebenszyklusphasen eines Baumaterials in den Datenbanken weder einheitlich noch ganzheitlich dargestellt.

In der Herstellungsphase wird der Transport und Einbau auf der Baustelle nicht berücksichtigt. In der Nutzungsphase wird die Versorgung mit Energie wie auch die Instandsetzung berücksichtigt, nicht aber die Reinigung und Wartung. Die größten Unterschiede ergeben sich jedoch am Ende der Nutzungsdauer; hier wird in manchen Produktdatenblättern die Entsorgung mit kalkuliert, in anderen EPDs nicht. Und in seltenen Fällen wird sogar die Energie ausgewiesen, die beim Recycling des Materials zurückgewonnen werden kann.

Doch auch wenn die zur Verfügung stehenden Daten (noch) nicht einheitlich und 100% verlässlich sind, lohnt sich der Blick in der Entwurfsphase darauf. Denn nur so kann eine Sensibilisierung dafür stattfinden und umweltbewusstes Bauen überhaupt angeschoben werden.

Bilder: Stahlproduktion: Can Stock Photo, alephcomo / Chart: Datenquelle KBOB